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Wie können wir einen Konflikt   friedlich klären?

Streiten ist normal

Streit gehört zu unserem täglichen Leben dazu. Es gibt keinen Menschen, der sich nicht schon mal gestritten hat. Aber muss ein Streit immer eskalieren? Meine Erfahrung zeigt, dass Konflikte nicht unweigerlich zu Frustration führen müssen, dass Entwicklung und tiefgreifende Veränderung möglich sind, wenn wir den Mut aufbringen, einander wirklich zu begegnen.

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg

Laut Marshall Rosenberg, dem Begründer der Empathischen oder auch Gewaltfreien Kommunikation, entsteht ein Konflikt immer dann, wenn eines oder mehrere unserer Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Wir reagieren in einem Streit dann meist mit heftigen Emotionen wie Ärger, Angst oder Trauer. Der andere ist aber nicht der Grund für unsere starken Gefühle, sondern aufgrund seines Verhaltens – was sie oder er sagt oder tut – nur der Auslöser. Das ist ein entscheidender Unterschied, der es uns ermöglicht, die Ursache, das ungestillte Bedürfnis, bei uns zu suchen. Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Gefühle, indem wir versuchen, durch eigene Reflexion herauszufinden, was wir gerade wirklich brauchen.

Ein Gefühl wie Ärger ist für uns somit ein Warnsignal, das uns hilft zu erkennen, wo wir aus dem Gleichgewicht geraten sind und was wir tun können, um unser Wohlbefinden wiederherzustellen. Empathische Kommunikation ist deshalb in erster Linie ein Hilfsmittel zur Innenschau, um uns selbst, und auf der Basis unserer gemeinsamen Grundbedürfnisse auch unsere Mitmenschen, mit allem, was sie manchmal sagen oder tun, besser verstehen zu können. Im zweiten Schritt hilft sie uns, Konflikte friedlich zu klären.

4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation 

Marshall Rosenberg hat 4 Schritte entwickelt, die uns sowohl für die Kommunikation mit unserem Konfliktpartner als auch zur Selbstklärung hilfreich sein können:

  1. Beobachtung (statt Bewertung und Vorwurf)
  2. Gefühl (statt Gedanke)
  3. Bedürfnis (statt Strategie)
  4. Bitte (statt Forderung)

Wenn ich zum Beispiel merke, dass mein Kind seine Schuhe nicht direkt, nachdem es zur Haustür hereingekommen ist, wegräumt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie ich reagieren kann.

Ich könnte mich, sobald ich es sehe, „tierisch aufregen“ und ohne zu zögern anmeckern: „Schuhe wegräumen! Du lässt die immer mitten im Weg liegen. Das sag ich dir jeden Tag. Ist das so schwer zu verstehen?“ und erzeuge damit eine mit Wut geladene Situation. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meinem Kind.

Mit den 4 oben genannten Schritte im Hinterkopf hätte ich aber auch folgendermaßen reagieren können:

0. Tief ein- und ausatmen 😉

  1. Beobachtung: Die Schuhe meines Kindes stehen im Flur und nicht im Schuhregal.
  2. Gefühl: Ich fühle Ärger.
  3. Bedürfnis: Mir ist Ordnung wichtig.
  4. Bitte: „Tim, deine Schuhe stehen im Flur. Ich merke, dass mich das ärgert, weil mir Ordnung wichtig ist. Kannst du sie bitte in das Schuhregal räumen?“

In dem ich nicht meinen Sohn für meine Gefühle verantwortlich mache („du ärgerst mich“) und ihm keine Schuld zuschreibe („Du lässt die immer mitten im Weg stehen.“) ist es mir durch Schauen in mein Inneres möglich, zu entdecken, welches unerfüllte Bedürfnis ich habe. Ich kläre mich also zuerst selbst und weiß, dass „das Schuhe wegräumen“ eine Strategie ist, um mein Bedürfnis nach Ordnung zu stillen. Da ich ja aber weiß, dass mein Sohn nicht für die Erfüllung meiner Bedürfnisse zuständig ist, kann ich auch lediglich eine Bitte aussprechen und keine Forderung. Ob er meiner Bitte nachkommt, ist dann tatsächlich seine Entscheidung. 

(In einigen wenigen Fällen müssen wir eine Forderung aussprechen, dann sprechen wir in der GfK von schützender Gewalt. Zu diesem Thema folgt demnächst ein weiterer Blogbeitrag)

Verantwortung für Gefühle und Bedürfnisse übernehmen

Eine solche Kommunikation führt dazu, dass mein Konfliktpartner sich nicht angegriffen fühlt und meint, sich durch „Kontern“ verteidigen zu müssen. Er merkt, dass ich ihn nicht beschuldige und die Verantwortung für meine Gefühle und Bedürfnisse selber übernehme. Das führt dazu, dass es ihm leichter fällt, mir bei der Erfüllung meines Bedürfnisses behilflich zu sein und meine Bitte zu erfüllen. Weil ihm unsere Beziehung und Verbindung wichtig sind.

Im vorherigen Blogbeitrag ging es um Nina und Paul, ein Paar, das sich wegen vermeintlicher Kleinigkeiten gestritten hat. Nina hatte ein Bedürfnis nach Kontakt zu anderen und Sicherheit, Paul nach Erholung und Selbstbestimmung. Wie hätten die beiden die Situation mit Hilfe der Gewaltfreien Kommunikation lösen können?

Eines vorweg: es gibt nicht die eine Lösung. Für einen Konflikt zwischen Menschen gibt es immer mehrere Lösungsideen. 

Ein Vorschlag:

Paul hätte Nina fragen können, ob es ihr wichtig ist, dass sie ihre Freunde gemeinsam sehen. Wenn ja, hätten sie sich einen Tag des Wochenendes erholen und einen Tag Freunde treffen können. Ein Dialog für eine friedliche Konfliktklärung hätte so aussehen können:

Nina: „ Ok Paul, ich höre, dass du dich erholen möchtest. Mir ist es wichtig, am Wochenende Kontakt zu anderen zu haben. Ein bisschen Erholung täte mir in der Tat aber auch gut. Wie wäre es für dich, wenn wir einen Tag unsere Freunde treffen und es uns einen Tag so richtig gemütlich machen?“ Paul: “Mmh, ja, das ist für mich ok. Dann würde ich morgen gerne entspannen. Am Sonntag können wir uns dann gerne mit Simon und Anke treffen.“

Nina: „Ist für mich so gut. Ich würde das Treffen mit Simon und Anke aber gerne schon fest verabreden, weil ich Sicherheit für die Wochenendplanung brauche. Kannst du mir bitte dafür eine Zusage geben?“ Paul: “Ja, ruf sie an, das ist für mich so in Ordnung.“

Gewaltfreie Kommunikation ist eine Haltung

Um die Gewaltfreie Kommunikation in ihrer Gänze verstehen und umsetzen zu können, gehört etwas mehr dazu, als nur die 4 Schritte mechanisch in seine Alltagssprache umzusetzen. Zum besseren Verstehen empfehle ich den Klassiker „Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens“ von Marshall Rosenberg. 

Zum Buch „Gewaltfreie Kommunikation“

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